Interview
Laut beten und unpünktlich sein.
Wie integrieren wir internationale Gäste im Gottesdienst?
Yassir Eric ist Leiter des „Europäischen Instituts für Migration, Integration und Islamthemen“ (EIMI). Er ermutigt deutsche Christen, sich auf Menschen internationaler Herkunft einzulassen – im Gottesdienst wie privat.
ERF Online: Herr Eric, Sie Sie sind gebürtiger Sudanese, leben aber seit 1999 in Deutschland. Was hat Ihnen geholfen, sich heimisch zu fühlen?
Yassir Eric: Ich habe Freunde gefunden, die mir ihre Türen geöffnet und gezeigt haben, wie eine deutsche Familie funktioniert. Es ist tragisch, wenn ich mit Muslimen rede, die 30 Jahre in einem Ort leben und kein einziges Mal eingeladen wurden. Sie wissen nicht, wie die deutschen Häuser von innen aussehen.
Für mich ist Integration keine Einbahnstraße. Als Migrant muss ich den ersten Schritt tun, um mich zurechtzufinden. Aber die Mehrheitsgesellschaft sollte auch einen Schritt auf mich zu tun. Es ist ein gegenseitiges Geben und Nehmen, wir können viel voneinander lernen.
ERF Online: Welche Schritte sind Sie als Migrant gegangen?
Yassir Eric: Es war selbstverständlich für mich, Deutsch zu lernen. Wie kann ich sonst die Menschen und die Kultur verstehen? Dann habe ich mich über die Gesetze und Sitten hierzulande informiert. Aber ich muss mich auch für andere öffnen, damit die Menschen hier verstehen können, wer ich bin.
Eines Tages hat mich eine alte Dame im Zug gefragt: „Sie sind wohl nicht von hier?“ Ich hätte mich darüber ärgern können. Stattdessen habe ich ihr meine Lebensgeschichte erzählt und davon berichtet, was Jesus in meinem Leben getan hat. Es war ein sehr gutes Gespräch. Danach hat sie mir jedes Jahr eine Weihnachtskarte geschrieben.
Wie integrieren wir internationale Gäste im Gottesdienst?
Yassir Eric ist Leiter des „Europäischen Instituts für Migration, Integration und Islamthemen“ (EIMI). Er ermutigt deutsche Christen, sich auf Menschen internationaler Herkunft einzulassen – im Gottesdienst wie privat.
ERF Online: Herr Eric, Sie Sie sind gebürtiger Sudanese, leben aber seit 1999 in Deutschland. Was hat Ihnen geholfen, sich heimisch zu fühlen?
Yassir Eric: Ich habe Freunde gefunden, die mir ihre Türen geöffnet und gezeigt haben, wie eine deutsche Familie funktioniert. Es ist tragisch, wenn ich mit Muslimen rede, die 30 Jahre in einem Ort leben und kein einziges Mal eingeladen wurden. Sie wissen nicht, wie die deutschen Häuser von innen aussehen.
Für mich ist Integration keine Einbahnstraße. Als Migrant muss ich den ersten Schritt tun, um mich zurechtzufinden. Aber die Mehrheitsgesellschaft sollte auch einen Schritt auf mich zu tun. Es ist ein gegenseitiges Geben und Nehmen, wir können viel voneinander lernen.
ERF Online: Welche Schritte sind Sie als Migrant gegangen?
Yassir Eric: Es war selbstverständlich für mich, Deutsch zu lernen. Wie kann ich sonst die Menschen und die Kultur verstehen? Dann habe ich mich über die Gesetze und Sitten hierzulande informiert. Aber ich muss mich auch für andere öffnen, damit die Menschen hier verstehen können, wer ich bin.
Eines Tages hat mich eine alte Dame im Zug gefragt: „Sie sind wohl nicht von hier?“ Ich hätte mich darüber ärgern können. Stattdessen habe ich ihr meine Lebensgeschichte erzählt und davon berichtet, was Jesus in meinem Leben getan hat. Es war ein sehr gutes Gespräch. Danach hat sie mir jedes Jahr eine Weihnachtskarte geschrieben.
Glaubensfreiheit gilt für jeden
ERF Online: Inwieweit konnten Sie Ihre Herkunftskultur bewahren?
Yassir Eric: Ich kann hier nicht typisch sudanesisch leben. Viele wertvolle Elemente meiner Kultur möchte ich bewahren und meinen Kindern weitergeben. Aber manches ist nicht mit dem Leben hier konform, zum Beispiel die Haltung gegenüber Frauen. Hier sind sie gleichberechtigt und haben eine wertvolle Rolle in der Gesellschaft inne. Das musste ich auch lernen, denn ich habe einen Sohn und zwei Töchter.
Oder auch das Thema Toleranz: In meiner Kultur wird nur eine Religion akzeptiert; jeder, der anders denkt, wird ausgeschlossen. Die deutsche Gesellschaft hingegen lebt von Vielfältigkeit und ist kritikfähig. Hier lebe ich in einem freien Land, und diese Freiheit gilt nicht nur mir, sondern auch meinem muslimischen Nachbarn.
Yassir Eric kennt die Position der Migranten ebenso wie die der Aufnahmegesellschaft. Mit dem„Europäischen Institut für Migration, Integration und Islamthemen“ lädt er zur persönlichen Begegnung auf Augenhöhe ein.
ERF Online: Für manche Christen ist die religiöse Toleranz gegenüber Muslimen eine Herausforderung, da in manchen muslimischen Ländern Christen verfolgt werden. Was sagen Sie dazu?
Yassir Eric: Das ist ein sehr großes Fehldenken. Die Bibel fordert uns auf, den Fremden in unserem Land mit Liebe und Respekt zu begegnen. Außerdem kann ich meinen muslimischen Nachbarn nicht zur Rechenschaft ziehen, weil die Christen in Saudi-Arabien verfolgt werden. Vielleicht denkt er in vielen Sachen genauso wie ich.
Wenn wir für Glaubensfreiheit plädieren, dann gilt diese Freiheit für jeden. Ich setze mich sehr für verfolgte Christen ein, daher will ich nicht mit Muslimen in Deutschland genauso umgehen, wie die Mehrheitsgesellschaft andernorts mit Christen umgeht. Wenn ich für Religionsfreiheit plädiere, verrate ich nicht meinen eigenen Glauben, sondern nur so bleibe ich echt.
ERF Online: Inwieweit konnten Sie Ihre Herkunftskultur bewahren?
Yassir Eric: Ich kann hier nicht typisch sudanesisch leben. Viele wertvolle Elemente meiner Kultur möchte ich bewahren und meinen Kindern weitergeben. Aber manches ist nicht mit dem Leben hier konform, zum Beispiel die Haltung gegenüber Frauen. Hier sind sie gleichberechtigt und haben eine wertvolle Rolle in der Gesellschaft inne. Das musste ich auch lernen, denn ich habe einen Sohn und zwei Töchter.
Oder auch das Thema Toleranz: In meiner Kultur wird nur eine Religion akzeptiert; jeder, der anders denkt, wird ausgeschlossen. Die deutsche Gesellschaft hingegen lebt von Vielfältigkeit und ist kritikfähig. Hier lebe ich in einem freien Land, und diese Freiheit gilt nicht nur mir, sondern auch meinem muslimischen Nachbarn.
Yassir Eric kennt die Position der Migranten ebenso wie die der Aufnahmegesellschaft. Mit dem„Europäischen Institut für Migration, Integration und Islamthemen“ lädt er zur persönlichen Begegnung auf Augenhöhe ein.
ERF Online: Für manche Christen ist die religiöse Toleranz gegenüber Muslimen eine Herausforderung, da in manchen muslimischen Ländern Christen verfolgt werden. Was sagen Sie dazu?
Yassir Eric: Das ist ein sehr großes Fehldenken. Die Bibel fordert uns auf, den Fremden in unserem Land mit Liebe und Respekt zu begegnen. Außerdem kann ich meinen muslimischen Nachbarn nicht zur Rechenschaft ziehen, weil die Christen in Saudi-Arabien verfolgt werden. Vielleicht denkt er in vielen Sachen genauso wie ich.
Wenn wir für Glaubensfreiheit plädieren, dann gilt diese Freiheit für jeden. Ich setze mich sehr für verfolgte Christen ein, daher will ich nicht mit Muslimen in Deutschland genauso umgehen, wie die Mehrheitsgesellschaft andernorts mit Christen umgeht. Wenn ich für Religionsfreiheit plädiere, verrate ich nicht meinen eigenen Glauben, sondern nur so bleibe ich echt.
Die eigene Motivation hinterfragen
ERF Online: Wie können Kirchen ohne internationalen Schwerpunkt Berührungsängste gegenüber Migranten abbauen?
Yassir Eric: Die deutsche Gesellschaft hat sich verändert, aber viele nehmen das nicht wahr. Migranten sind überall. Es gibt keine homogene deutsche Gesellschaft. Unsere Kirchen müssen sich öffnen, besonders für die christlichen Migranten, mit denen wir viel gemeinsam haben. Jede Gemeinde, die keine Migranten als Mitglieder hat, sollte sich fragen, warum.
ERF Online: Wie stark sollten sich Kirchen verändern, um Migranten zu integrieren? Ich denke da zum Beispiel an das Pünktlichkeitsempfinden der Deutschen.
Yassir Eric: Wenn ich von Veränderung rede, meine ich nicht, dass deutsche Kirchen plötzlich unpünktlich sein oder besonders laut beten müssen. Das würde ihr Leben durcheinander bringen. Aber wir sollten die Bereitschaft haben, in unseren gottesdienstlichen Strukturen etwas mehr Flexibilität zuzulassen. Was spricht dagegen, wenn man einmal im Jahr einen Gottesdienst mit afrikanischen Trommeln oder orientalischen Lauten gestaltet? Dadurch bekommt die Gemeinde auch einen Eindruck davon, wie Christen andernorts leben.
Wichtig ist, die eigene Motivation zu hinterfragen: Ist es mir wichtig, um 10 Uhr anzufangen, oder ist es mir wichtig, Menschen zu erreichen? Wenn wir unsere Perspektive wechseln, steht nicht mehr die Uhr im Vordergrund, sondern die Menschen. Da wo Deutsche und Migranten zusammenkommen, entsteht eine neue Form des Gottesdienstes, die beide Seiten bereichert.
ERF Online: Wie können Kirchen ohne internationalen Schwerpunkt Berührungsängste gegenüber Migranten abbauen?
Yassir Eric: Die deutsche Gesellschaft hat sich verändert, aber viele nehmen das nicht wahr. Migranten sind überall. Es gibt keine homogene deutsche Gesellschaft. Unsere Kirchen müssen sich öffnen, besonders für die christlichen Migranten, mit denen wir viel gemeinsam haben. Jede Gemeinde, die keine Migranten als Mitglieder hat, sollte sich fragen, warum.
ERF Online: Wie stark sollten sich Kirchen verändern, um Migranten zu integrieren? Ich denke da zum Beispiel an das Pünktlichkeitsempfinden der Deutschen.
Yassir Eric: Wenn ich von Veränderung rede, meine ich nicht, dass deutsche Kirchen plötzlich unpünktlich sein oder besonders laut beten müssen. Das würde ihr Leben durcheinander bringen. Aber wir sollten die Bereitschaft haben, in unseren gottesdienstlichen Strukturen etwas mehr Flexibilität zuzulassen. Was spricht dagegen, wenn man einmal im Jahr einen Gottesdienst mit afrikanischen Trommeln oder orientalischen Lauten gestaltet? Dadurch bekommt die Gemeinde auch einen Eindruck davon, wie Christen andernorts leben.
Wichtig ist, die eigene Motivation zu hinterfragen: Ist es mir wichtig, um 10 Uhr anzufangen, oder ist es mir wichtig, Menschen zu erreichen? Wenn wir unsere Perspektive wechseln, steht nicht mehr die Uhr im Vordergrund, sondern die Menschen. Da wo Deutsche und Migranten zusammenkommen, entsteht eine neue Form des Gottesdienstes, die beide Seiten bereichert.
„Ich muss nicht lange überlegen, ob ich von Jesus erzähle oder nicht“
ERF Online: Was können wir von Migranten lernen?
Yassir Eric: Wir Migranten bringen viel mit. Deswegen soll man uns nicht nur als Asylanten und Sozialhilfeempfänger sehen. Wir sind Menschen von großer geistlicher Tradition; denken Sie zum Beispiel an die Christen aus der koptischen Kirche. Zweitens spielt die Individualität, die deutsche Christen so prägt, bei uns keine große Rolle. Wir leben unseren Glauben in der Regel in der Gruppe. Wenn mich jemand nach meinem Glauben fragt, muss ich nicht lange überlegen, ob ich von Jesus erzähle oder nicht. Der Glaube umfasst mein ganzes Leben. So sind wir in unserer Kultur geprägt. Hier können deutsche Christen von uns lernen.
Wir Christen haben keinen Grund, parallel leben zu müssen, spätestens in der zweiten Generation. Meine Kinder sprechen kaum Arabisch und waren noch nie in Sudan. Sie kennen meine Kultur nicht. Entweder mache ich eine sudanesisch-arabische Gemeinde auf, wo meine Kinder sich fremd fühlen, oder meine Kinder werden in den normalen deutschen Gemeinden integriert. Das ist der Weg, für den ich mich einsetze.
ERF Online: Haben Sie eine Anekdote, was passieren kann, wenn zwei unterschiedliche Kulturen zusammen Gottesdienst feiern?
Yassir Eric: In einem internationalen Gottesdienst wollte eine Migrantengemeinde ein Lied in ihrer Sprache singen. In Deutschland besteht ein Lied aus mehreren Strophen und einem Refrain, dann ist Schluss. Aber das Lied dieser Gemeinde war endlos und niemand hat ein Wort verstanden. Irgendwann bin ich nach vorne gegangen und habe gesagt: Jetzt könntet ihr mal aufhören. Als ich sie anschließend fragte, was denn los war, erzählten sie mir: Bei uns in der Gemeinde hat der Pfarrer ein Glöckchen. Damit klingelt er, wenn wir aufhören sollen.
Solche Sachen muss man vorher ganz genau abklären. Dann ist ein internationaler Gottesdienst eine Bereicherung für alle Beteiligten.
ERF Online: Vielen Dank für das Gespräch.
http://www.erf.de/online/themen/gemeinde-und-mission/laut-beten-und-unpuenktlich-sein/3178-542-4589
ERF Online: Was können wir von Migranten lernen?
Yassir Eric: Wir Migranten bringen viel mit. Deswegen soll man uns nicht nur als Asylanten und Sozialhilfeempfänger sehen. Wir sind Menschen von großer geistlicher Tradition; denken Sie zum Beispiel an die Christen aus der koptischen Kirche. Zweitens spielt die Individualität, die deutsche Christen so prägt, bei uns keine große Rolle. Wir leben unseren Glauben in der Regel in der Gruppe. Wenn mich jemand nach meinem Glauben fragt, muss ich nicht lange überlegen, ob ich von Jesus erzähle oder nicht. Der Glaube umfasst mein ganzes Leben. So sind wir in unserer Kultur geprägt. Hier können deutsche Christen von uns lernen.
Wir Christen haben keinen Grund, parallel leben zu müssen, spätestens in der zweiten Generation. Meine Kinder sprechen kaum Arabisch und waren noch nie in Sudan. Sie kennen meine Kultur nicht. Entweder mache ich eine sudanesisch-arabische Gemeinde auf, wo meine Kinder sich fremd fühlen, oder meine Kinder werden in den normalen deutschen Gemeinden integriert. Das ist der Weg, für den ich mich einsetze.
ERF Online: Haben Sie eine Anekdote, was passieren kann, wenn zwei unterschiedliche Kulturen zusammen Gottesdienst feiern?
Yassir Eric: In einem internationalen Gottesdienst wollte eine Migrantengemeinde ein Lied in ihrer Sprache singen. In Deutschland besteht ein Lied aus mehreren Strophen und einem Refrain, dann ist Schluss. Aber das Lied dieser Gemeinde war endlos und niemand hat ein Wort verstanden. Irgendwann bin ich nach vorne gegangen und habe gesagt: Jetzt könntet ihr mal aufhören. Als ich sie anschließend fragte, was denn los war, erzählten sie mir: Bei uns in der Gemeinde hat der Pfarrer ein Glöckchen. Damit klingelt er, wenn wir aufhören sollen.
Solche Sachen muss man vorher ganz genau abklären. Dann ist ein internationaler Gottesdienst eine Bereicherung für alle Beteiligten.
ERF Online: Vielen Dank für das Gespräch.